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Was bedeutet eigentlich flexible Arbeitszeit?

Die Terminologie in der Arbeitswelt wächst seit Jahren durch den digitalen Fortschritt in der Gesellschaft. “Work-Life-Balance” oder “Mobile Workspace” sind im Arbeiten 4.0 gängige Begrifflichkeiten und werden in vielen Berufsgruppen bereits praktiziert. Bei einem Blick auf Jobportale und Stellenausschreibungen scheint vor allem eine Bedingung Bewerber zu locken: Flexible Arbeitszeiten.

Doch was steckt hinter diesem Versprechen und wie genau können starre Arbeitsstrukturen flexibilisiert werden?

Wenn Unternehmen bei Stellenbeschreibungen mit flexibler Arbeitszeit werben, hoffen Arbeitnehmer später eine gewisse Freiheit bei der Arbeitszeiteinteilung zu haben. Durch die wachsenden Möglichkeiten in den unterschiedlichsten Berufen und die damit verbundene Anpassung auf zeitgenössische Lifestyle-Trends, lässt die Bezeichnung “flexible Arbeitszeiten” aber reichlich Raum für Interpretation. Daher sollte die Thematik bereits in ersten Besprechungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer klar definiert werden.

Metall- und Elektroindustrie auf dem Vormarsch

Je nach Branche wünschen sich Arbeitnehmer unterschiedliche Formen von Flexibilität. Für die Arbeitgeber in der Industrie sind neue, beliebte Arbeitsmodelle wie z.B. Home Office bislang nur schwer realisierbar. Trotzdem sind in der Metall- und Elektroindustrie moderne Arbeitszeiteinteilung schon ein handfestes Sujet. Indem die flexible Komponente auf längerfristige Einsatzplanungen umgelegt wird, ist die M+E Industrie vielen Arbeitgebern voraus. Ein neuer Tarifvertrag in der M+E Branche, der seit diesem Jahr gilt, bestimmt die Option zur Arbeitszeitausweitung und -reduzierung und gewährt gleichzeitig den jetzt geltenden Anspruch auf verkürzte Vollzeit. Vorab wurden in einer Studie des Gesamtverbandes der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie e. V. rund 1055 Beschäftigte und 1153 Unternehmen der M+E-Industrie befragt. Neben der tendenziellen Bereitschaft der Beschäftigten auf gesetzliche Vorgaben zu verzichten, wenn dadurch mobilere Arbeitseinteilungen und eigenständige Bestimmungen begünstigt würden, gaben ein Großteil der Befragten an, bereits einen großen Spielraum in ihrer Arbeitsplanung zu haben, trotz festgelegter Schichten. In vielen Produktionen kann die Arbeitszeit ausschließlich innerhalb der Firmenwände stattfinden, weshalb feste Schichtpläne unvermeidbar sind. Dafür genießen Produktions- und Industriearbeiter häufig eine klare Grenze zwischen Arbeit und Freizeit. Lediglich 2 % der Arbeitgeber fordern laut der Studie ihre Mitarbeiter auf, auch außerhalb ihrer Arbeitszeit erreichbar zu sein; 10 Prozent erwarten es zumindestens stillschweigend. Ein Produktionsmanager der Firma Trumpf berichtet beispielsweise dem Portal produktion.de, dass während er 2018 noch 35 Stunden wöchentlich tätig war, er 2019 nur noch 28 Stunden arbeite. So wolle der Vater aktiv die ersten Jahre seines Kindes miterleben und die Arbeitszeit bei Beginn der Kindergartenzeit wieder aufstocken. Die Trumpf-Gruppe bietet als Vorreiter in ihrer Industrie schon seit 2011 flexible Anpassung an Lebensumstände an. Weiterhin wurde ein tarifliches Zusatzgeld für die Arbeitnehmer vereinbart, das unter bestimmten Voraussetzungen in acht zusätzliche freie Tage umgewandelt werden kann. Diese können von Eltern, Menschen die Verwandte pflegen oder Schichtarbeitern in Anspruch genommen werden. Ein innerbetrieblicher Ausgleich muss jedoch gewährleistet sein. Diese Bestimmungen wirken sich laut dem Portal bereits positiv auf die Zufriedenheit der Arbeitnehmer aus.

Working from everywhere

Anders sieht das Verständnis von flexiblen Arbeitszeiten bei Arbeitnehmern aus, die vorrangig digital tätig sind. Diese priorisieren heute Stellen, bei denen sie komplett zeit- und ortsunabhängig arbeiten können oder zumindestens die Möglichkeit haben, dies gelegentlich zu tun. In skandinavischen Ländern sind bereits über 30 Prozent regelmäßig von zu Hause tätig, in den Niederlanden gibt es sogar einen Rechtsanspruch auf Home Office. Auch in Deutschland geht der Trend in Richtung “working from everywhere”. Der Digitalverband Bitkom befragte kürzlich in einer Umfrage 855 Unternehmen zum Thema Home Office. Demnach bieten 40% der deutschen Unternehmen ihren Arbeitnehmern inzwischen an, von zu Hause zu arbeiten. Für die betroffenen Berufsgruppen führt dies immer mehr zum Bruch mit traditionellen Arbeitsstrukturen und dem klassischen Nine-to-five-Bürotag. Während sich flexible Arbeitszeiten in Industrieberufen in einem festgelegten Rahmen bewegen, erschwert sich bei einer komplett freien Arbeitszeit-Einteilung die Bestimmung der tatsächlich geleisteten Zeit, was für Arbeitgeber problematisch werden kann.

Was ist Arbeitszeit?

In Deutschland ist die Arbeitszeit im Arbeitszeitgesetz (ArbZG) geregelt. Das Gesetz schützt die Rechte der Arbeitnehmer bei der Arbeitszeitgestaltung und soll Sicherheit und Gesundheitsschutz gewährleisten. Arbeitszeit im Sinne des ArbZG ist die Zeit von Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen (§ 2 Abs. 1 ArbZG). Im §3 ist die Höchstgrenze für die tatsächliche Arbeitszeit von acht Stunden, in Ausnahmen zehn Stunden, an Werktagen geregelt. Auch Pausenzeiten sind fest vorgeschrieben. So muss nach sechs Stunden Arbeit eine 30-minütige und nach neun Stunden eine 45-minütige Pause eingelegt werden. Im Rahmen des Arbeitszeitgesetzes können Arbeitgeber ihre Arbeitsverträge dann flexibel auslegen. Das ArbZG gilt dabei für Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten. Leitende Angestellte wie Chefärzte oder Leiter von öffentlichen Diensten werden in dem Gesetz nicht berücksichtigt. Halten sich Unternehmen nicht an die Vorschriften, drohen hohe Bußstrafen. Trotz des Gesetzes gibt es immer wieder Unklarheiten bei der Entscheidung, welche Tätigkeiten in die Arbeitszeit fallen dürfen. So gehört die Zigarettenpause grundsätzlich nicht in die Arbeitszeit, sich kurz einen Kaffee holen wiederum schon.

Online vor Arbeitsbeginn

Auch die sogenannten Wegezeiten gehören generell nicht zur Arbeitszeit, doch für viele beginnt der Arbeitstag schon vor Eintritt ins Büro. Durch Smartphones und Laptops können Mails am Frühstückstisch gelesen und kleinere Aufgaben fix auf dem Weg zur Arbeit erledigt werden. Besonders Beschäftigte mit langen Arbeitswegen oder Berufspendler verrichten ihre Aufgaben häufig während des Hin- und Heimwegs. Das belegt eine britische Studie der Universität West of England von 2018, bei der 5000 Pendler befragt wurden. Die beteiligten Forscher sind der Meinung, dass bereits der Fahrtweg als Arbeitszeit gelten sollte. In Deutschland gilt die Fahrt aktuell nur als Arbeitszeit, wenn der Arbeitgeber ausdrücklich verlangt, während des Arbeitswegs beruflichen ToDos nachzukommen. Heißt: Arbeitet der Angestellte auf dem Arbeitsweg, sollte er dies vorab mit dem Arbeitgeber absprechen; andernfalls könnte die zusätzliche Zeit nicht vergütet werden. Aber nicht nur bei Pendlern sind Arbeitsstart und -ende oft unklar. Bei den immer beliebteren Arbeitsmodellen wie Mobile Workspace, Home Office oder Remote Work verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben, was zu zusätzlichem Stress führen kann.

Zeiterfassung: Kontrolle vs. Sicherheit

Die Zeiterfassung ist in der Arbeitswelt häufig ein heikles Thema und beeinflusst nicht selten das Arbeitsklima - zum Wohlsein der Beschäftigten, wenn diese beispielsweise ihre Nachweise über geleistete Überstunden oder eingehaltene Deadlines vorweisen können, aber auch als lästig empfundene Überwachung oder gar Misstrauen der Chefetage. Viele Unternehmen verzichteten daher bislang als Zeichen des Vertrauens auf eine genaue Zeiterfassung. Mit dem aktuellsten Urteil des EuGH könnte dies für Unternehmen innerhalb der EU allerdings der Vergangenheit angehören. Für Remote Worker oder Mobile Workspace Nutzer ist Time-Tracking hingegen längst ein Grundstein des Arbeitsverhältnisses zwischen Mitarbeiter und Chef und daher unumgänglich.

Time-Tracking-Software ist oft multifunktional und deckt mehrere Aufgabenbereiche ab. Das kann beispielsweise die digitale Stempeluhr sein, bei der sich die Angestellten einloggen, sobald sie mit der Arbeit beginnen; manche Tools bieten zudem den Abgleich mit geplanten Schichten oder auch projektbezogene Zeiterfassung an. Die Angebote helfen grundlegend bei der Koordination und dienen nicht nur dem Management als Kontrollfunktion.

Auch Arbeitnehmer sollten ihre Arbeitszeit im Blick haben. Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft arbeiten mobile Computerarbeiter durchschnittlich zehn Stunden am Tag. Computerarbeiter sind Beschäftigte, die mindestens ein Viertel ihrer Arbeitszeit an PC, Laptop oder Smartphone verbringen. In Deutschland waren das 2017 rund 55 Prozent. Da Arbeitnehmer dieser Berufsgruppe viele Aufgaben auch außerhalb der Büroräume erledigen können, arbeiten sie oft unbewusst länger.

Selbstmanagement ist erforderlich

Durch Zeiterfassungssoftwares lässt sich das umgehen. shyftplan-Nutzer können sich beispielsweise mit einer eigenen ID an allen Endgeräten mit Internetzugang anmelden. So kann die Arbeitszeit online dokumentiert werden. Langfristig führt das zu einer höheren Transparenz, was für Arbeitgeber erhebliche Ersparnisse bedeutet und gleichzeitig die Chance bietet, flexible Arbeitsstrukturen wie Remote Work oder Home Office zu implementieren. Ein regelmäßiger Austausch zwischen Mitarbeitern und Entscheidungsträgern ist notwendig, um trotz gegebener Flexibilität die Projektziele zu erreichen. Angestellte sollten in jedem Fall selbstständig ihre Projekte koordinieren und eine klare Grenze zwischen Arbeitszeit und Freizeit ziehen. Das erfordert ein strukturiertes Selbstmanagement. Denn die Arbeit außerhalb des Büros birgt nicht nur ein höheres Ablenkungspotenzial durch private Angelegenheiten, sondern kann obendrein durch schlechtes Zeitmanagement zu Mehrarbeit führen.

Zusammenfassend lassen “flexible Arbeitszeiten” als Begriff Raum für Interpretation- die Bedeutung kann je nach Branche und Berufsgruppe stark variieren. Arbeitgeber und -nehmer sollten bei dem Wunsch nach Flexibilität berücksichtigen, dass das Verständnis von flexibler Arbeitszeiteinteilung individuell betrachtet werden muss. Daher sollten innerbetriebliche Möglichkeiten gründlich abgewogen werden und durch eine ausführliche Mitarbeiterkommunikation auf die Bedürfnisse der Angestellten abgestimmt werden.